Es gibt wenige geographische Regionen
in denen sich die deutsch-polnische Geschichte dergestalt spiegelt, wie
in den vier Woiwodschaften Dolnośląskie (Niederschlesien), Opolskie (Oppeln),
Śląskie (Schlesien) und Małopolskie (Kleinpolen) im heutigen Südwestpolen.
Auch gab es hier Ereignisse, die für die Geschichte Europas und der
ganzen Welt von Bedeutung sind:
Kraków (Krakau) war seit 1040 die Hauptstadt
Polens und sollte seine Funktion als Krönungs- und Beerdingsgungstätte
der polnischen Könige auch dann noch behalten, nachdem Zygmunt
III Waza Warschau zur neuen Landeshauptstadt erkor (1596). Unter dem
Piastenfürsten Władysław II Wygnaniec
entstand 1138 das polnische Herzogtum Schlesien. Nachdem
ihn sein Stiefbruder Bolesław IV Kędzierzawy ins Exil nach
Altenburg in Thüringen getrieben hatte, wo er im Jahre 1159 verstarb,
war es Kaiser Friedrich I. „Barbarossa“, der die Rückgabe
Schlesien an die rechtmäßigen Erben Władysławs, durchsetzte.
Herzog Henryk II Pobożny, ein Urenkel Władysławs, stellte
sich am 9. April 1241 an der Spitze einer Allianz aus polnischen und deutschen
Rittern den Mongolen in der Schlacht bei Legnickie Pole (Wahlstatt)
in der er eine vernichtende Niederlage erlitt und fiel.
Nach Henryks Tod zerfiel Schlesien in mehrere Teilherzogtümer,
die sich nach und nach dem Königreich Böhmen unterstellten
. In dieser Zeit holten die Piastenherrscher verstärkt deutsche
Siedler nach Schlesien, die dort mehr als 100 neue Städte und
über 1200 Dörfer nach deutschem Recht gründeten. Die ursprünglich
slawischen Siedlungen passten sich zum großen Teil rechtlich, sozial
und sprachlich den deutschen Siedlungen an.
Unter dem böhmischen und deutschen König Karl IV. gelangte
Schlesien 1348 zum Heiligen Römischen Reich. Da die schlesischen
Herzogtümer jedoch direkt der Krone Böhmens unterstanden, besaßen
sie keine Reichsstandschaft und damit keinen Sitz und Stimme im Reichstag.
Der Tod des römisch-deutschen Kaisers Karl VI. am 20. Oktober
1740 diente dem preußischen König Friedrich II. als Anlass,
seinen Anspruch auf Schlesien zu erheben, den er damit
begrüdete, dass die Fürstentümer Liegnitz, Wohlau
und Brieg nach dem Aussterben der schlesischen Piasten an Brandenburg fallen
sollten. Obwohl die Rechtmäßigkeit dieser Erbverbrüderung
bereits damals vom böhmischen König Ferdinand bestritten
und 1546 aufgehoben wurde, fiel Friedrich „der Große“ nach Ablauf
eines Ultimatums am 16. Dezember 1740 in mit 27.000 Mann in das habsburgerische
Schlesien ein. Zur Sicherung seiner Beute sollte Friedrich II. noch zwei
weitere Kriege führen, wobei der Dritte Schlesische Krieg (Siebenjährige
Krieg; 1756–1763) als erste weltweit geführte Auseinandersetzung
(zwischen dem preußischen Verbündeten England und Frankreich)
in die Geschichte eingehen sollte.
Während der südliche Teil Schlesiens bei Böhmen verblieb
und als Österreichisch-Schlesien bezeichnet wurde, bildete der preußische
Teil seit 1815 die Provinz Schlesien, die auch nach der Gründung
des Zweiten Deutschen Kaiserreichs (1871) im Besitz Preußens bleiben
sollte. Zwischen 1919 bis 1938 und erneut zwischen 1941 bis 1945
wurde sie in die preußischen Provinzen Niederschlesien mit und Oberschlesien
aufgeteilt.
Nach drei Teilungen, die den polnischen Staat von der Landkarte
hatten verschwinden lassen und dem kurzen Intermezzo des napoeonischen
Herzogtums Warschau, bildete die 1815 auf dem Wiener Kongress geschaffene
Rzeczpospolita Krakowska/Wolne Miasto Kraków (Republik
Krakau/Freie Stadt Krakau) ein polnisches Protektorat unter dem Kondominat
Preußens, Russlands und Österreichs. Als Folge des Krakauer
Aufstandes vom 18. Februar 1846 wurde das Gebiet von Österreich
annektiert, dessen Kaiser fortan auch den Titel Großherzog von
Krakau führte.
Nachdem bei einer Volksabstimmung in Oberschlesien am 20. März
1921 59,6% der Bevölkerung für einen Verbleib bei Deutschland
und 40,4% für eine Abtretung an Polen votiert hatten wurde Oberschlesien
längs der sogenannten Sforza-Linie geteilt und Ostoberschlesien
als Autonome Woiwodschaft Schlesien dem wiedergegründeten
Polen angegliedert.
Am 31. August 1939 inszenierte ein SS-Kommando den „Überfall
polnischer Freischärler“ auf den Sender Gleiwitz , der Hitler gegenüber
der deutschen Bevölkerung als Rechtfertigung des Angriffs auf Polen
dienen sollte. Nach dem deutschen Überfall am 1. September 1939 wurde
auf dem besetzten Gebiet der Zweiten Polnischen Republik das
Generalgouvernement eingerichtet. Das von den Nationalsozialisten
als Reichsnebenland bezeichnete Gebiet war nicht unmittelbar
in das Reichsgebiet eingegliedert worden. Gleiches galt für die dort
errichteten Verwaltungsstrukturen unter dem Generalgouverneur Hans Frank,
der seine Schreckensherrschaft vom Krakauer Wawel aus ausübte. Keine
70 Kilometer von Krakau entfernt, befand sich das NS-Vernichtungslager
Auschwitz Birkenau, in dem 1,5 Millionen Menschen, vor allem Juden aus
Polen und anderen Teilen Europas sowie nichtjüdische Polen, ermordet
wurden.
Entgegen der ursprünglichen Planung der Westalliierten, die
Glatzer Neiße als neuen Grenzverlauf zwischen Polen und
Deutschland einzurichten, konnte Stalin die Görlitzer Neiße
als neue Grenze durchsetzen. Infolge der Westverschiebung Polens wurden
3.587.300 Schlesier aus ihrer Heimat vertrieben. Nur
von Niederschlesien verblieb ein kleiner Zipfel in der neugegründeten
DDR, der nach der deutschen Wiedervereinigung zum Bundesland Freistaat Sachsen
gehört.
Die anerkannte Grenze zwischen Polen und Deutschland kann man heute
innerhalb der Europäischen Union, wie z. B. auf einer Fußgängerbrücke
über die Neiße oder die Oder ohne jegliche Kontrollen passieren.
Einen wesentlichen Anteil am Fall des Eisernen Vorhangs im
Jahre 1989 hatte mit Johannes Paul II. ein Mann, der am 18. Mai
1920 als Karol Józef Wojtyła im 50 Kilometer
von Kraków entfernten Wadowice geboren wurde.
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